Der Begriff „intolerante Toleranz“ beschreibt ein spannendes Paradox. Ursprünglich tauchte er in der Sozialphilosophie auf – etwa bei Herbert Marcuse, der in den 1960er-Jahren von „repressiver Toleranz“ sprach. Heute wird er zunehmend verwendet, um ein Verhalten zu kennzeichnen, das wir in vielen gesellschaftlichen Debatten beobachten können:
Menschen oder Gruppen fordern nach außen hin Diversität, Offenheit und Vielfalt, allerdings nur innerhalb ihres eigenen, subjektiv als moralisch überlegen empfundenen Meinungskorridors. Abweichende Haltungen werden abgelehnt, Andersdenkende bekämpft oder ausgeschlossen.
Das Ergebnis: Genau jene Werte, die eigentlich verteidigt werden sollen – Demokratie, Meinungsfreiheit, echte Vielfalt – werden untergraben.
Was bedeutet intolerante Toleranz?
Intolerante Toleranz meint, dass Offenheit nur so lange gilt, wie sie den eigenen Überzeugungen entspricht. Abweichungen führen schnell zu Abwehr, Ausschluss oder Spaltung. So wird die Idee echter Vielfalt ins Gegenteil verkehrt.
Wie zeigt sich intolerante Toleranz im Alltag?
Soziale Medien
Wo abweichende Meinungen sofort als „inakzeptabel“ markiert werden.
Diskussionen am Arbeitsplatz
Wo nur bestimmte Sichtweisen willkommen sind.
Private Gespräche
Wenn Freundschaften an unterschiedlichen Weltbildern zerbrechen.
So verständlich diese Abwehrreaktionen oft sind – sie verengen den Dialog und schaffen mehr Spaltung, statt Verständnis.
Übung: Echte Toleranz im Alltag entwickeln
Echte Toleranz beginnt nicht dort, wo wir übereinstimmen, sondern dort, wo wir Unterschiede aushalten. Ein kleiner Schritt, den Sie ausprobieren können:
- 👉 Hören Sie sich beim nächsten Gespräch bewusst eine Meinung an, die Ihrer widerspricht.
- 👉 Stellen Sie Fragen, ohne zu bewerten oder zu widersprechen.
- 👉 Versuchen Sie, die Perspektive des anderen so zu verstehen, dass Sie sie in eigenen Worten wiedergeben könnten.
Das bedeutet nicht, dass Sie Ihre Haltung aufgeben müssen. Aber indem Sie verstehen, wie der andere denkt und fühlt, schaffen Sie eine Basis für echten Dialog.
Warum sich Toleranz lohnt
Geübte Toleranz verhindert nicht nur Spaltung, sondern fördert Vertrauen, Frieden, Wohlempfinden, Kreativität und Zusammenhalt. Denn Vielfalt zeigt ihren Wert erst dann, wenn unterschiedliche Stimmen nebeneinander bestehen dürfen – auch die unbequemen.
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